Die Kinder trippeln ungeduldig hin und her, die Erwachsenen vergraben an dem doch recht kalten Tag ihre Hände tief in den Taschen. Stammen ihre roten Nasen von der Kälte oder von aufwärmenden Getränken mit Alkohol? Man weiß nicht. Alles wartet darauf, dass St. Martin hoch zu Ross das Zeichen zum Aufbruch gibt. Doch vorher müssen noch die Magnesiumfackeln und Laternen entzündet werden. Die gehören zwingend zu einem St. Martinsumzug dazu. In Gedenken an den Heiligen Martin ziehen die Kinder am Martinsabend in Deutschland, Österreich, der Schweiz und in der Region Oberschlesien mit Laternen durch die Straßen. Das haben auch die Teilnehmer des geplanten Umzugs im Kölner Stadtteil Bickendorf vor. Doch alles kommt anders.
Endlich setzt sich der Zug in Bewegung. Die etwa 50 Kinder im Alter zwischen drei und sechs Jahren tragen mit großen Augen ihre Fackeln und Laternen vor sich her. Es erklingen Parolen wie „Rabimmel, rabammel, rabumm, bumm bumm!“ und „Sankt Martin, Sankt Martin“. Plötzlich tauchen von allen Seiten Polizisten auf. Die Kölner Polizei hat eine Hundertschaft losgeschickt, um die nicht genehmigte Kundgebung mit aller Konsequenz aufzulösen. Innerhalb weniger Minuten war dies gelungen. Aber nicht ohne Widerstand: Die widerspenstigen Kinder erwiesen sich als echte Kratzbürsten und setzten sich mit ihren Fingernägeln energisch gegen die Beamten zur Wehr. Auch Tritte gegen das Schienbein mussten einige Polizisten, die lediglich ihrer Pflicht nachgingen, einstecken. Insgesamt wurden 32 Strafanzeigen wegen gefährlicher Körperverletzung und Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte gefertigt, 17 Polizisten legten nach diesem brisanten Einsatz auf ihrer Dienststelle eine Krankschreibung vor.
Es wurden nicht nur Dutzende von Schlagstöcken mit Brandsätzen sichergestellt, die die Demonstranten mit sich führten, auch eine große Menge an Keksen wurde bei ihnen gefunden. Jene wurden unverzüglich in das kriminaltechnische Labor verbracht, um eine eingehende Untersuchung auf darin enthaltene, verbotene Substanzen vorzunehmen. Das Ergebnis der Analyse liegt allerdings noch nicht vor.
Die Demonstranten gaben sich auf Nachfrage als Besucher der Kindertagesstätte „Blaue Zwerge“ aus. Ob sie Mitglieder einer extremistischen Organisation sind, wird derzeit überprüft. Eine 43-jährige Frau, die sich als Leiterin der Gruppe zu erkennen gab, wurde festgenommen. Sie befindet sich zum jetzigen Zeitpunkt in Untersuchungshaft. Der Anführer der Demonstration, der Mann im St. Martinskostüm auf dem Pferd, entzog sich dem Zugriff der Polizei nur dadurch, dass er im vollen Galopp den Ort des Geschehens verließ. Die Fahndung nach Pferd und Reiter wurde unverzüglich in die Wege geleitet.
Die größten Teils noch minderjährigen Demonstranten wurden mittlerweile wieder in die Obhut ihrer Erziehungsberechtigten übergeben. Das natürlich nicht ohne Standpauke für Eltern und Kinder über den Umgang mit Pyrotechnik, der Anmeldungspflicht von Demonstrationen sowie einer eindringlichen Belehrung darüber, was derartig falsche Freunde für die Zukunft bedeuten können. Zu guter Letzt erging der Hinweis, dass man von Teilnahmen an Laternen- und Fackelumzügen zukünftig absehen sollte. Schließlich sei man nun polizeibekannt und beim nächsten Aufgreifen würde eine Strafe unausweichlich sein. Ein Großteil der Demonstranten zeigte nunmehr die gewünschte Reue, vielen von ihnen traten Tränen in die Augen und es wurden Entschuldigungen gestammelt. Über das zu erwartende Strafmaß für die volljährigen Demonstranten wurde bisher nichts bekannt. Man darf aber wohl davon ausgehen, dass diese nicht so glimpflich davonkommen werden.
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